Jens Kolb

Auszug aus der Examensarbeit:
"Faustball - Eine Untersuchung zu Problemen, Problemlösungen und Möglichkeiten einer Weiterentwicklung und Verbreitung"
(Jens Kolb, Oldenburg 2000)

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3. Darstellung der empirischen Untersuchung

3.2. Methodik und Aufbau

3.2.1. Qualitative versus quantitative Forschung

Aus den obigen Ausführungen geht hervor, daß die vorliegende Untersuchung dem qualitativen Ansatz der empirischen Sozialforschung zugeordnet wird. Die deutliche Trennung zwischen quantitativer und qualitativer Forschung "ist ein Ergebnis der besonderen wissenschaftsgeschichtlichen Entwicklung, vor allem im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert." (KARDORFF 1995, 5). Lange Zeit wurde die qualitative Forschung als unwissenschaftlich, feuilletonistisch und unseriös abgewertet. Seit etwa 15 Jahren erfährt sie aber wieder besondere Beachtung (vgl. KARDORFF 1995, 3; MAYRING 1999, 3). Es wird von einer qualitativen Wende, dem Trend hin zu qualitativen Erkenntnismethoden, gesprochen (vgl. MAYRING 1999, 1). Die Ursprünge qualitativen Denkens reichen aber bis zu Aristoteles (384-322 v. Chr.) zurück (vgl. MAYRING 1999, 3). Auf näheres Eingehen wird verzichtet (vgl. hierzu MAYRING 1999, 3ff).

Der Begriff der qualitativen Forschung ist ein Zusammenschluß sehr unterschiedlicher theoretischer, methodologischer und methodischer Zugänge zur sozialen Wirklichkeit (vgl. KARDORFF 1995, 3; KLEINING 1995, 11; GARZ/ KRAIMER 1991, 1). Der Zusammenhalt solch unterschiedlicher Zugänge liegt stärker in der Abgrenzung zu quantitativ-statistischen Vorgehensweisen als in einer einheitlichen Konzeption (vgl. GARZ/ KRAIMER 1991, 3).

Einen entscheidenden Gegensatz zwischen qualitativen und quantitativen Verfahren sieht KLEINING (1982, 227. In: GARZ/ KRAIMER 1991, 17) in der differierenden Forschungsorientierung und der damit verbundenen Zielsetzung: Die qualitative Sozialforschung soll Bezüge aufdecken, die quantitative soll unterschiedliche Ausprägungen schon bekannter Züge messen.

Durch diese Orientierung der qualitativen Forschung folgt, daß zu Beginn des Forschungsprozesses keine präzisen Hypothesen über den Untersuchungsgegenstand stehen können, diese sind schließlich noch nicht endgültig bekannt. Solche Hypothesen können "allenfalls das Ergebnis einer empirischen Untersuchung sein" (KROMREY 1991, 30). "Die Präzisierung von Fragestellungen und die Formulierung sowie das Verwerfen von Hypothesen sollten sich im Forschungs- und Erhebungsprozeß im Sinne einer schrittweisen Klärung ergeben." (HOPF 1995, 181) Wie oben beschrieben, ist die Gesamtthematik Faustball vorab nicht vollständig überschaubar und somit auch nicht durch klare Hypothesen beschreibbar. Bei der Untersuchung wird nicht so vorgegangen, daß gezielt nach Beurteilungen und Lösungsmöglichkeiten für bestimmte, exakt bekannte und genau definierte Probleme der Sportart Faustball gefragt wird. Ziel ist es vielmehr, die Probleme, genauso wie die Lösungen, erst in der Untersuchung zu erarbeiten und zu erörtern. Zur Hypothesenprüfung müßte die Problemstellung enger gefaßt werden und könnte nur einzelne Aspekte der Sportart untersuchen. Dies ist aber nicht angestrebt. Für den qualitativ orientierten Forscher bedeutet dies, daß er sich vom Prinzip der Offenheit leiten lassen muß, d.h.:


· nicht mit einer vorgefaßten Meinung in die Datenerhebung eintreten
· insbesondere nicht in Hypothesen vorab festgeschriebene Behauptungen und Definitionen zum Maßstab der Datensammlung machen
· Vorkenntnisse und Vorahnungen sollen einen bewußt vorläufigen Charakter haben.
· Diese Vorkenntnisse sollen die Aufmerksamkeit "sensibilisieren", sollen neugierig machen. Sie sollen aber nicht voreingenommen machen bei der Auswahl von Daten und bei deren Charakterisierung als relevant oder irrelevant für die Forschungsfrage (vgl. KROMREY 1991, 30).

Somit ist es zwar wichtig für den Forscher, den Untersuchungsgegenstand - in meinem Fall die Problematik der Sportart Faustball - vorab möglichst umfassend zu überblicken und erste Wirkzusammenhänge zu erkennen versuchen. Jedoch darf dies nicht dazu führen, mit einer vorgefaßten Meinung in die Untersuchung einzutreten und davon nicht mehr abzuweichen. Auch unerwartete, nicht antizipierte Aspekte muß der Forscher berücksichtigen, sprich: er muß offen bleiben für alle in der Untersuchung auftretenden Ansätze.

Im Gegensatz zum formulierten Prinzip der Offenheit wird von Vertretern der quantitativen Sozialforschung eine möglichst detaillierte Vorstrukturierung des Untersuchungsgegenstandes durch Hypothesen gefordert (vgl. KROMREY 1991, 32). Die eigentliche wissenschaftliche Arbeit beginnt nach quantitativer Auffassung erst nach der Aufstellung von möglichst präzise formulierten Hypothesen, die durch Konfrontation mit der Realität überprüft werden (vgl. KROMREY 1991, 30). Dem ersten Schritt der Hypothesengenerierung wird aus dieser Sichtweise kein wissenschaftlicher Status zugesprochen (vgl. GARZ/ KRAIMER 1995, 15).

Kommunikation stellt für die qualitative Sozialforschung ein wesentliches Element dar, wohingegen die quantitative Sozialforschung als Anhänger der naturwissenschaftlichen Forschungsrichtung durch Standardisierung der Erhebungssituation versucht, die Intersubjektivität der Daten zu sichern (vgl. KROMREY 1991, 32).

Zusammenfassend lassen sich die beiden Forschungsrichtungen nach den Hauptgedanken wie folgt gegenüberstellen:

qualitative Sozialforschung

quantitative Sozialforschung

Prinzip der Offenheit möglichst detaillierte Vorstrukturierung des Untersuchungsgegenstandes durch Hypothesen
kommunikative Erhebung von Situationsdeutungen im sozialen Feld im Sinne "kontrollierter Subjetktivität" Standardisierung der Erhebungs-situation zur Sicherung der Inter-subjektivität der Daten

Tab. 3: Hauptprinzipien qualitativer und quantitativer Forschung
Quelle: vgl. KROMREY 1991, 32



3.2.2. Erhebungsverfahren

Zu unterscheiden vom grundsätzlichen Untersuchungsdesign sind die konkreten Untersuchungsverfahren. Das Untersuchungsdesign ist die grundsätzliche Untersuchungsanlage bzw. Forschungskonzeption und "stellt als Rahmenbedingung Regeln auf, die die Kommunikationsmöglichkeiten zwischen Proband und Forscher wesentlich bestimmen" (HAUßER 1982, 62. In: MAYRING 1999, 27). Unter den konkreten Untersuchungsverfahren sind dagegen zu verstehen:
· Methoden der Datenerhebung
· Methoden der Datenaufbereitung
· Methoden der Auswertung (vgl. MAYRING 1999, 27).

Die Methoden in der qualitativen Sozialforschung sind im Gegensatz zu quantitativen sehr uneinheitlich. Bei quantitativen Ansätzen erforschen gleiche Methoden verschiedene Gebiete. Beobachtung und Experiment bestimmen die quantitative Forschung. Dies ist bei qualitativen Ansätzen nicht der Fall. Hier sind die Methoden gegenstandsadäquat (vgl. KLEINING 1995, 13). Die Schwierigkeit für den qualtitativ orientierten Forscher besteht also zunächst darin, eine angemessene Methode für das gewählte Untersuchungsproblem zu finden.

Nachdem für die vorliegende Untersuchung aus den oben genannten Gründen ein qualitativ orientierter Forschungsansatz gewählt wurde, blieb die Frage nach der genauen Untersuchungsmethode zu klären. Eine teilnehmende Beobachtung kann dem Untersuchungsziel nicht gerecht werden. Somit blieb die Möglichkeit der Befragung. Grundsätzlich kommen zwei Wege der Befragungserhebung in Betracht:


· der Fragebogen
· das Interview.

Für die Untersuchung im Rahmen dieser Arbeit wurde die Interviewform gewählt, die in der Sozialforschung den meistbeschrittenen Weg darstellt und oft als 'Königsweg' der Sozialforschung bezeichnet wird (Formulierung von René KÖNIG) (vgl. DIEKMANN 1995, 371).

Eine schriftliche Befragung in Form eines Fragebogens, die alternativ dazu hätte durchgeführt werden können, wurde nicht nur aus Zweifel an einer hohen Rücklaufquote abgelehnt, sondern hauptsächlich, weil die Effizienz eines Fragebogens für die vorliegende Fragestellung mit explorativem und kreativem Anteil in Frage zu stellen ist. Nach LAMNEK (1995, 37) sind schriftliche Erhebungen von vornherein nicht für qualitative Befragungen geeignet. Die Interviewsituation hat zudem mehrere Vorteile gegenüber der schriftlichen Stellungnahme:


· höhere Motivation des Befragten.
· gezieltes Eingehen auf den Befragten.
· Möglichkeit der Konkretisierung der Meinung des Befragten durch Nachfragen im Interview.

Letzteres war ein weiterer Grund für die Wahl einer Interviewerhebung. Der Fragebogen gibt dem Forscher nach dem Verschicken an die Probanden keine weitere Einflußnahme mehr. Mögliche auftretende Unklarheiten bei schriftlichen Äußerungen der Befragten müssen demnach als gegeben hingenommen werden. In der konkreten Interviewsituation dagegen besteht die Möglichkeit, unklare oder mißverständliche Darstellungen gezielt zu hinterfragen. So bestand bei der vorliegenden Problematik die Gefahr, daß Probleme von den Befragten möglicherweise erkannt und benannt werden, aber nicht ausführlich genug, um den gedanklichen Hintergrund der Aussage gleichzeitig miterfassen zu können. Dies ist in einem Interview eher der Fall.

Ein weiterer Vorteil des Interviews besteht darin, daß wirklich gesichert ist, daß die befragte Person die Antworten gegeben hat. Beim Verschicken von Fragebögen kann dies nicht kontrolliert werden.

Den großen Nachteil, daß die Zahl der Erhebungen nicht so groß gewählt werden kann, wird dadurch egalisiert, daß in den Interviews Experten befragt werden.

3.2.3. Leitfadengestütztes Experteninterview

Durch die erwähnte Gegenstandsadäquatheit qualitativer Methoden existieren vielfältige Varianten qualitativer Interviews (vgl. MAYRING 1999, 49; HOPF 1995, 177). Gemeinsam ist allen die Offenheit der Frageformulierung und die qualitative Auswertung. Unterschiede sind beim Strukturierungsgrad zu erkennen (vgl. MAYRING 1999, 49).

Die aufgeführten Eigenschaften von Interviewformen beziehen sich auf die Freiheitsgrade der Interviewpartner und auf das Auswertungsverfahren:


· Freiheitsgrade des Befragten (offenes/geschlossenes Interview) Bei geschlossenen Interviews erhält der Befragte vorgegebene Antwortalternativen, aus denen er auswählt. Bei offenen können die Befragten dagegen frei antworten.
· Freiheitsgrade des Interviewers (unstrukturiertes/strukturiertes bzw. unstandardisiertes /standardisiertes Interview) Bei einem standardisierten Interview sind die Fragen genau formuliert und die Frage-Reihenfolge ist festgelegt. Der Interviewer hat keinen Spielraum.
· Auswertung des Interviewmaterials (qualitatives/quantitatives Interview) Quantitative Interviews werden mit Hilfe der Mathematik ausgewertet. Qualitative Auswertungen erfolgen an Hand qualitativ-interpretativer Techniken. (vgl. MAYRING 1999, 49).

Zur Verkürzung der Ausführungen wird die Vielzahl der unterschiedlichen qualitativen Interviews nicht näher erläutert - wie z.B. narratives, fokussiertes, problemzentriertes Interview. Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf die gewählte Form des leitfadengestützten Experteninterviews.

Das leitfadengestützte Experteninterview ist ein offenes, teilstrukturiertes und qualitatives Interview. Teilstrukturiert deshalb, weil sich der Interviewer im Interview an einem zuvor erarbeiteten Leitfaden orientiert, diesen aber flexibel handhaben kann (vgl. Kap. 3.2.3.1.).

Im Interview gibt es keine Antwortvorgaben, so daß die Befragten ihre Ansichten und Erfahrungen frei artikulieren können. Die Erwartung, die hinter dieser offenen Interviewgestaltung liegt, ist die, das dadurch die Sichtweisen des Subjekts eher zur Geltung kommen als in standardisierten Interviews oder Fragebögen (vgl. FLICK 1996, 94).

Die offene Interviewgestaltung hat folgende Vorteile:


· "Man kann überprüfen, ob man von den Befragten überhaupt verstanden wurde.
· Die Befragten können ihre ganz subjektive Perspektive und Deutungen offenlegen.
· Die Befragten können selbst Zusammenhänge, größere kognitive Strukturen im Interview entwickeln.
· Die konkreten Bedingungen der Interviewsituation können thematisiert werden." (vgl. KOHLI 1978. In: MAYRING 1999, 51)

Durch diese Interviewgestaltung kann ein verstärktes Vertrauensverhältnis zwischen Interviewer und Befragten aufgebaut werden, denn der "Interviewte soll sich ernstgenommen und nicht ausgehorcht fühlen" (MAYRING 1999, 51).

Zugleich wird dem Befragten die Möglichkeit gegeben, auch vom Interviewer nicht antizipierte Gesichtspunkte und Themenbereiche anzusprechen (vgl. HOPF 1995, 179). Dies ist für die vorliegende Untersuchung von besonderer Bedeutung, da in der Vorstrukturierung nicht der Anspruch erhoben wird, alle Probleme der Sportart und deren Lösungsmöglichkeiten vorauszuahnen. "DEXTER ... plädiert mit Nachdruck für offene Interviews, um die Situationsdefinition des Experten, seine Strukturierung des Gegenstandes und seine Bewertung zu erfassen." (MEUSER/ NAGEL 1991, 442; vgl. DEXTER 1970, 5ff)

3.2.3.1. Funktion des Leitfadens

Im Gegensatz zu standardisierten Interviews oder Fragebögen wird das leitfadengestützte Interview nur anhand eines grob strukturierten Schemas geführt. Der Interviewer geht stärker auf den Befragten ein, wodurch der Spielraum erhöht wird, die Fragen zu formulieren, anzuordnen und Nachfragen zu stellen (vgl. FRIEDRICHS 1990, 224).

Restriktive Vorgaben in solchen standardisierten Erhebungen - wann, in welcher Reihenfolge und wie Themen zu behandeln sind - verstellen eher die Sicht des Subjekts als diese zu eröffnen (vgl. FLICK 1996, 112).

Der Leitfaden hat eine doppelte Funktion: Einerseits wird durch die Ausarbeitung der Leitfragen eine intensive Beschäftigung des Forschers mit der Thematik vorausgesetzt, wodurch vermieden wird, daß dieser im Interview als inkompetenter Gesprächspartner auftritt. Andererseits gewährleistet die Orientierung am Leitfaden, daß eine Ausuferung in für die Problemstellung uninteressante Themengebiete verhindert werden kann, zugleich aber für den Experten der Freiraum besteht, "seine Sache und Sicht der Dinge zu extemporieren" (MEUSER/ NAGEL 1991, 448).

3.2.3.2. Auswahl der Experten für die Interviews

Die im Experteninterview befragten Personen interessieren im Gegensatz zu anderen Formen des offenen Interviews weniger als Gesamtperson, sondern vielmehr in der Eigenschaft als Experte für ein bestimmtes Handlungsfeld. Gleichzeitig interessieren sie als Repräsentant einer Gruppe und nicht als Einzelfall (vgl. FLICK 1996, 109).

Der Expertenstatus ist ein relationaler Status und wird in gewisser Weise vom Forscher verliehen, begrenzt auf eine spezifische Fragestellung (vgl. MEUSER/ NAGEL 1991, 443). "Als Experte wird angesprochen,


· wer in irgendeiner Weise Verantwortung trägt für den Entwurf, die Implementierung oder die Kontrolle einer Problemlösung oder
· wer über einen privilegierten Zugang zu Informationen über Personengruppen oder Entscheidungsprozesse verfügt." (MEUSER/ NAGEL 1991, 443)

Die von mir gewählten Experten sind, bis auf eine Person, alle in Niedersachsen ansässig. Im Rahmen einer Examensarbeit ist eine Interviewerhebung in ganz Deutschland nicht angemessen.

Die Anzahl der Befragten ist mit 8 Personen im Gegensatz zu einer schriftlichen Erhebung gering, einem Experteninterview im Rahmen einer Examensarbeit aber angemessen. Die Auswertung von Interviews ist sehr zeitaufwendig, so daß die Anzahl der befragten Personen eng begrenzt sein muß.

Das Alter der Experten reicht von 27 Jahren bis 64 Jahren, so daß Meinungen von jung und alt berücksichtigt werden. Es ist nur eine weibliche Person unter den Befragten, was aber darin begründet liegt, das Funktionärstätigkeiten zum größten Teil von männlichen Personen ausgeübt werden (vgl. dazu Aussage von L.B. in Kap. 4.2.3.1.).

Für die vorliegende Untersuchung werden Experten mit verschiedenen Funktionen herangezogen, wobei die so gebildeten Gruppen jeweils noch einmal in drei Bereiche unterteilt werden, um eine bessere Typologie zu erreichen:


· Spieler
(A: Nationalspieler; B: Bundesligaspieler; C: Spieler in unterer Klasse)
· Trainer
(A: Nationalrainer; B: Bundesligatrainer; C: Jugendtrainer)
· Funktionäre
(A: Bundesebene; B: Landesturnverbandsebene; C: Vereinsebene)

Nachfolgend werden die faustballspezifischen Tätigkeitsgebiete der befragten Experten angeführt, um die Antworten vor diesem Hintergrund besser bewerten zu können. Die jeweiligen Kreuze zeigen an, daß der Experte in diesem Bereich aktuell tätig ist, bzw. in der Vergangenheit tätig war.

Experte

Geschlecht

Spieler

Trainer

Funktionär

   

A

B

C

A

B

C

A

B

C

A.P.

m

   

X

       

X

X

H.P.

m

   

X

   

X

 

X

X

L.B.

m

   

X

     

X

X

X

O.N.

m

X

X

 

X

X

X

     

S.B.

w

X

X

     

X

     

T.B.

m

X

X

   

X

X

     

U.M.

m

X

X

   

X

X

 

X

X

U.S.

m

X

X

 

X

X

       

Tab. 4: Experten und deren Tätigkeitsfeld
Quelle: Eigene Darstellung




3.2.3.3. Anforderungen an den Interviewer

Aus den bisherigen Ausführungen zum gewählten Erhebungsverfahren wird deutlich, daß an den Interviewer beim leitfadengetützten Interview hohe Anforderungen gestellt werden. Da nicht einzelne Fragen nacheinander behandelt werden, sondern gezielt auf die Antworten des Befragten eingegangen werden soll, kann der Interviewverlauf vorher nur in groben Zügen geplant werden. Vom Interviewer wird gefordert:


· zuzuhören
· dabei die Problemstellung immer im Auge zu behalten, also abzuwägen, ob die Aussagen des Befragten noch zum Thema passen
· in Gedanken den kommenden Gesprächsverlauf in groben Zügen weiterzuplanen
· auf eventuell nicht antizipierte Themengebiete einzugehen
· in Gedanken zu verfolgen, welche der Fragen des Leitfadens bereits beantwortet sind, bzw. auf welche noch einzugehen ist
· abzuschätzen, wann einzelne Themengebiete ausreichend behandelt sind, bzw. auf welche noch vertiefter eingegangen werden muß (vgl. auch FLICK 1996, 113)

Durch die offene Interviewführung wird somit deutlich, daß der Interviewer stets in der konkreten Situation ad-hoc-Entscheidungen zu treffen hat. Deshalb ist vor der eigentlichen Untersuchungserhebung eine gewisse Interviewschulung wichtig, also ein Pretest (vgl. FLICK 1996, 113).

3.2.3.4. Pretest

Bei Studien, die ein Problem allein mit der Methode des Interviews untersuchen, ist ein Pretest von entscheidender Bedeutung (vgl. FRIEDRICHS 1990, 234). Auch wenn bei leitfadengestützten Interviews die Ergebnisse nur begrenzt auf die Hauptuntersuchung zu beziehen sind, da das Verhalten der einzelnen Interviewpartner nur wenig vorhersehbar ist, erfüllt der Pretest wichtige Funktionen:
· Überprüfung der Brauchbarkeit des Leitfadens
· Schulung des Interviewverhaltens des Fragenstellers (vgl. FRIEDRICHS 1990, 234f; DIEKMANN 1995, 415f).

Der Pretest ist die erste Bewährungsprobe für den Leitfaden und den Interviewer. Die Befragten sollen dazu ermutigt werden, weniger verständliche Fragen zu kritisieren und eine Gesamteinschätzung des Interviews abzugeben (vgl. DIEKMANN 1995, 416).

3.2.3.5. Aufzeichnung der Interviews

Die Aufzeichnung des Interviews erfolgt mittels eines Cassettenrecorders (nach vorheriger Einwilligung des Interviewpartners). Das hat den Vorteil, daß der Interviewer sich ganz auf den Gesprächsverlauf und den Befragten konzentrieren kann und keine Informationsverluste durch ein zwangsweise verkürzendes Protokoll entstehen (vgl. FRIEDRICHS 1990, 229).

3.2.3.6. Methode der Auswertung

Die Auswertung der empirischen Untersuchung wird an die Ausführungen von MEUSER/ NAGEL (1991) angelehnt. Zunächst einmal ist "jeder Interviewtext das Protokoll einer besonderen Interaktion und Kommunikation, unverwechselbar und einmalig in Form und Inhalt" (MEUSER/ NAGEL 1991, 451). Aufgabe des Forschers ist es, die Vergleichbarkeit der Texte herzustellen und zu kontrollieren.

"Die Vergleichbarkeit der Ergebnisse ist, gemessen am standardisierten Interview, gering. Es entsteht eine Datenmatrix für die Befragten mit verschiedenen und ungleich umfangreichen Informationen, oder strenger: eine Matrix, die nur wenige Variablen bei allen Befragten umfaßt." (FRIEDRICHS 1990, 236) Dies trifft besonders durch die Voraussetzung zu, daß die Befragten auf verschiedenen Teilgebieten Expertenwissen besitzen und zudem bei Lösungsansätzen individuelle und innovative Vorschläge machen können. Da aber eine qualitativ-interpretative Auswertung durchgeführt wird, ist dies von untergeordneter Bedeutung. Als Auswertungsmethode dient das Vorgehen des thematischen Vergleichs, mit dem Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Expertenaussagen festgestellt werden (vgl. MEUSER/ NAGEL 1991, 452; FLICK 1996, 110).

Eine besondere Bedeutung für die Auswertung nimmt der Leitfaden des Interviews ein. Durch den Leitfaden wird die Vergleichbarkeit der Texte erst ermöglicht. Er dient dazu, das Interview auf die relevanten Themen zu focussieren (vgl. MEUSER/ NAGEL 1991, 452). Zudem stellen die "thematischen Schwerpunkte des Leitfadens ... Vorformulierungen der theorierelevanten Kategorien dar, die in der Auswertung aufgenommen werden." (MEUSER/ NAGEL 1991, 454) Diese Vorformulierungen erweisen sich nicht alle als sinnvoll, "die meisten erfahren mehr oder weniger umfangreiche Modifikationen" (MEUSER/ NAGEL 1991, 454).

Bei der Auswertung werden inhaltlich zusammengehörige Passagen zusammengefaßt, auch wenn sie über den Text verstreut sind. Entscheidend ist nicht die Sequenzialität von Äußerungen je Interview, sondern der thematische Inhalt (vgl. MEUSER/ NAGEL 1991, 453).

Die Auswertung der Interviews erfolgt in mehreren Teilschritten (vgl. MEUSER/NAGEL 1991, 455ff). Zunächst werden die einzelnen Interviews für sich bearbeitet und verdichtet, bevor ein Vergleich der einzelnen Aussagen stattfindet.

Vor der Auswertung steht die Transkription der Tonbandaufnahme. Diese erfolgt bei qualitativen Interviews in der Regel nicht vollständig. Die Ausführlichkeit der Transkription ist abhängig vom Diskursverlauf. Je mehr sich der Diskursverlauf der Idealform des Gelingens annähert, desto ausführlicher wird die Transkription sein, weil gehäufter relevante Informationen auftreten. Im Gegensatz dazu werden Ausführungen der Experten zu nicht relevanten Themen, die sich eher der Form des Mißlingens annähern, nur selektiv notiert.

Im Anschluß an die Transkription erfolgt die Verdichtung des Textmaterials und der Schritt des thematischen Vergleichs der verschiedenen Interviews.

Da die Aussagen der Experten einzelnen Themengebieten zugeordnet, also kategorisiert, werden, ist ein Vergleich auch bei unterschiedlich ausführlicher Beantwortung möglich. Gerade hier liegt ein Vorteil qualitativen Vorgehens.