2.1. Geschichtliches und derzeitiger Stand der Entwicklung
Um der Frage nachzugehen, was unter
'Faustball' zu verstehen ist, muß zunächst einmal die
Geschichte der Sportart beleuchtet werden. Über den
Ursprung des Faustballspiels existieren unterschiedliche
Darstellungen. In der Fachliteratur wird vielfach darauf
hingewiesen, daß das Faustballspiel eine
"jahrhundertealte Tradition" (KEIL 1983, 8) hat
und seine Wurzeln bis ins Altertum zurückreichen.
Erwähnt wird Faustball laut Sport-Brockhaus bereits von
Plautus (3.Jh.v.Chr.) (BROCKHAUS 1984, 152.) Im Lehrplan
des Deutschen Turner-Bundes (kurz DTB) wird sogar
ausgesagt, daß "Faustball ... zu den ältesten uns
bekannten Spielen" gehört (DTB 1984, 32). Der
Historiker BERNETT ist anderer Meinung. "Das
Faustballspiel deutscher Prägung ist von einem
Turnpädagogen erdacht worden, also nicht aus einem
Volksspiel hervorgegangen. Von einer Vorgeschichte kann
demnach eigentlich keine Rede sein. Da sein Erfinder ein
Altphilologe war, kann jedoch angenommen werden, daß
antik-romanische Vorformen den Hintergrund gebildet
haben." (BERNETT 1984, 142f.) Diese eventuellen
Vorformen sind das Dreieck-Schlagspiel "trigon"
aus dem antiken Rom und das italienische Ballonspiel
"pallone" (vgl. BERNETT 1984, 143).
Der Name 'Faustball' tritt in der Geschichte aber
eindeutig erstmals Ende des letzten Jahrhunderts auf.
"Der Münchner Turnlehrer ... Georg Heinrich Weber
gilt unbestritten als Erfinder des modernen
Faustballspiels." (BERNETT 1984, 145). Nachdem Weber
das Faustballspiel seit 1885 mit seinen Gymnasiasten
erprobt hat (vgl. BERNETT 1984, 145), veröffentlichte er
1893 erste Regeln (BROCKHAUS 1984, 152). Das erste
Gesamt-Regelwerk des Faustballs erscheint im Jahre 1896
(vgl. LAUTENSCHLAGER 1975, 14). Das Faustballspiel der
Anfangszeit kann dabei als gesellschaftliches Turnspiel
charakterisiert werden, es ist "mehr lust- als
zweckbetont strukturiert" (BERNETT 1984, 147). Die
'Versportlichung' und damit die Orientierung am Sieg
setzt aber schnell ein, der Übergang "vom
Unterhaltungs- zum Kampfspiel" (KLEIN 1911/12, 472.
In: BERNETT 1984, 152) wird vollzogen.
Das Faustballspiel verbreitete sich schnell. Bereits 1896
wird von einem "Siegeszug durch Deutschland"
(SCHNELL 1896, 100. In: BERNETT 1984, 148) gesprochen.
Für den Rahmen der vorliegenden Arbeit sind die Ursachen
für diese rasche Verbreitung von besonderer Bedeutung.
Denn laut BERNETT "hat sich das relativ
traditionslose deutsche Faustballspiel in [nur, J.K.]
zwei bis drei Jahrzehnten das Prestige eines Volks- und
Nationalspiels erworben." (BERNETT 1984, 149) Als
einen wichtigen Grund für dieses Phänomen führt
PREISING (1980. In: BERNETT 1984, 147) an, daß dem Spiel
der Jugend durch die Arbeit des 'Zentral-Ausschusses für
Volks- und Jugendspiele' (kurz ZA) eine gesellschaftliche
Bedeutung verschafft wurde. Dieser ZA wird 1891 im Zuge
der Spielbewegung gegründet und im folgenden wird das
"Spielgut ... nun propagiert und methodisiert,
geordnet und kodifiziert." (BERNETT 1984, 144)
"Der ZA löste diese gesellschaftliche Aufgabe durch
sein organisatorisches Netzwerk, durch Publikationen und
Lehrgänge." (BERNETT 1984, 147)
"Die Entwicklung des Faustballspiels belegt die
bemerkenswerte Tatsache, daß die Spielbewegung zunächst
die Schule erfaßt und erst in einer zweiten Welle die
Vereine erreicht" (BERNETT 1984, 147). GASCH (1903,
52. In: BERNETT 1984, 147) bestätigt diese Ausführung:
"Ausgehend von den Schulen hat die Spielbewegung
meist durch die Vermittlung von Turnlehrern und ihren
Schülern in die Vereine übergegriffen". Faustball
ist somit von der Entstehung her ein Schulspiel, welches
erst dann den Weg in die Vereine gefunden hat. Irgendwann
muß in der Entwicklung des Faustballspiels bzw. des
Interesses daran ein Einschnitt stattgefunden haben.
Heutzutage wird es fast ausschließlich in Vereinen
gespielt. "Nachdem Faustball bis Ende der 60er Jahre
ein fester Bestandteil im Schulsport war, wurde dieses
Spiel in den folgenden Jahren immer mehr vom Volleyball
verdrängt" (DTB 1984, 32).
Die ersten Deutschen Meisterschaften der Männer werden
1913 in Leipzig durchgeführt. Nach einer durch den
1.Weltkrieg bedingten Pause finden diese Meisterschaften
erst wieder ab 1921 statt, ab dann aber auch für Frauen
(vgl. LAUTENSCHLAGER 1975, 15). Einen vorläufigen
Höhepunkt der Entwicklung des Faustballs ist 1938
erreicht. Auf dem in Breslau stattfindenden Deutschen
Turn- und Sportfest finden 800 Faustballspiele statt und
das Endspiel wird vor 10.000 Zuschauern ausgetragen (vgl.
BERNETT 1984, 155).
Der wichtigste Schritt zur Weiterentwicklung und
Verbreitung der Sportart wird durch den DTB, der
Nachfolge-Organisation der Deutschen Turnerschaft und
nach 1950 alleinigem Träger des Faustballspiels, gelegt:
Dem Faustballspiel als Sportart wird der internationale
Raum geöffnet. Zunächst werden vom DTB zusätzliche
Deutsche Meisterschaften in der Schüler- und
Jugendklasse durchgeführt, ein Deutschland-Pokal wird
ausgeschrieben und letztendlich Europameisterschaften und
-pokale (vgl. BERNETT 1984, 156). Die
Internationalisierung wird durch den 1960 gegründeten
Internationalen Faustball-Verband (kurz IFV) weiter
vorangetrieben. Mittlerweile sind im IFV 13 Nationen
organisiert (siehe Tab. 1). Neue Mitglieder sind USA und
Japan, die 1998 ihren Aufnahmeantrag beim IFV gestellt
haben (vgl. IFV 1999, 5).
Seit 1968 werden in periodischem Abstand
Weltmeisterschaften der Herren durchgeführt, 1999 fand
die insgesamt 10. WM statt. Zusätzlich ist Faustball
seit 1985 bei den World Games, den Wettkämpfen für die
nicht-olympischen Sportarten, vertreten (vgl. LUX 1999,
378). Auf Vereinsebene findet seit 1986 durch die
Ausführung von Weltpokalspielen ein weltweiter Vergleich
von Vereinsmannschaften statt (vgl. LUX 1999, 378).
Die Faustball-Damen sind bislang noch nicht bei den World
Games vertreten. Die anderen Wettkampfveranstaltungen
werden ebenfalls im Frauenbereich durchgeführt: die
Weltmeisterschaft seit 1994, die Europameisterschaft und
der Europapokal seit 1993, der Weltpokal seit 1997 (vgl.
LUX 1999, 377ff). Hier zeigt sich, daß sich der zu
Gründungszeiten rein männliche Sport noch auf dem Weg
der Gleichberechtigung befindet.
Die internationale Verbreitung steckt trotz intensiver
Bemühungen immer noch in den 'Kinderschuhen', betrachtet
man die geschätzte Zahl der Faustballspieler in den
einzelnen Ländern:
Mitgliedsverband
|
Spieleranzahl
|
Argentinien |
300
|
Brasilien |
700
|
Chile |
200
|
Dänemark |
50
|
Deutschland |
41.000
|
Italien |
100
|
Japan |
100
|
Namibia |
300
|
Österreich |
8.000
|
Schweiz |
7.000
|
Tschechische
Republik |
200
|
Uruguay |
150
|
USA |
300
|
gesamt: |
ca.
58.400
|
Tab. 1: Geschätzte Anzahl an Faustballspielern
in den einzelnen Mitgliedsverbänden
Quelle: vgl. IFV 1999, unveröffentlichtes
Zahlenmaterial, BAADE, L.
Deutlich zu erkennen ist die zahlenmäßige Übermacht
Deutschlands, des Mutterlandes der Sportart. Mit ca.
41.000 registrierten Spielerpässen stellt Deutschland
die größte Anzahl an Faustballern, gefolgt von
Österreich und der Schweiz. Trotzdem hat auch
Deutschland im Bereich der Mitgliederzahlen Probleme. Die
Zahl der Mitglieder stagniert, bzw. ist sogar leicht
rücklaufig:
Jahr
|
Anzahl der registrierten
Faustballspieler
|
1991
|
44.418
|
1992
|
43.109
|
1993
|
43.996
|
1994
|
45.110
|
1995
|
46.121
|
1996
|
44.507
|
1997
|
41.235
|
1998
|
41.326
|
1999
|
41.184
|
2000
|
40.937
|
Tab. 2: Anzahl der Aktiven mit Faustball-Spielerpässen
in Deutschland
Quelle: DTB 2000: Fachbereich Turnspiele. Spieler
und Spielerinnen mit Startpass, JOLIG, E.
Neben dieser Anzahl an offiziell durch Spielerpaß
registrierten Faustballern gibt es weitere Faustballer,
die den Sport nur als Breitensport ausüben. 1998 betrug
die geschätzte Anzahl dieser Breitensportler ohne Pässe
12.500 (vgl. DTB: Gesamt-Struktur Fachbereich Spiele im
DTB, Stichtag 1/98).
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