Jens Kolb

Auszug aus der Examensarbeit:
"Faustball - Eine Untersuchung zu Problemen, Problemlösungen und Möglichkeiten einer Weiterentwicklung und Verbreitung"
(Jens Kolb, Oldenburg 2000)

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2.1. Geschichtliches und derzeitiger Stand der Entwicklung

Um der Frage nachzugehen, was unter 'Faustball' zu verstehen ist, muß zunächst einmal die Geschichte der Sportart beleuchtet werden. Über den Ursprung des Faustballspiels existieren unterschiedliche Darstellungen. In der Fachliteratur wird vielfach darauf hingewiesen, daß das Faustballspiel eine "jahrhundertealte Tradition" (KEIL 1983, 8) hat und seine Wurzeln bis ins Altertum zurückreichen. Erwähnt wird Faustball laut Sport-Brockhaus bereits von Plautus (3.Jh.v.Chr.) (BROCKHAUS 1984, 152.) Im Lehrplan des Deutschen Turner-Bundes (kurz DTB) wird sogar ausgesagt, daß "Faustball ... zu den ältesten uns bekannten Spielen" gehört (DTB 1984, 32). Der Historiker BERNETT ist anderer Meinung. "Das Faustballspiel deutscher Prägung ist von einem Turnpädagogen erdacht worden, also nicht aus einem Volksspiel hervorgegangen. Von einer Vorgeschichte kann demnach eigentlich keine Rede sein. Da sein Erfinder ein Altphilologe war, kann jedoch angenommen werden, daß antik-romanische Vorformen den Hintergrund gebildet haben." (BERNETT 1984, 142f.) Diese eventuellen Vorformen sind das Dreieck-Schlagspiel "trigon" aus dem antiken Rom und das italienische Ballonspiel "pallone" (vgl. BERNETT 1984, 143).

Der Name 'Faustball' tritt in der Geschichte aber eindeutig erstmals Ende des letzten Jahrhunderts auf. "Der Münchner Turnlehrer ... Georg Heinrich Weber gilt unbestritten als Erfinder des modernen Faustballspiels." (BERNETT 1984, 145). Nachdem Weber das Faustballspiel seit 1885 mit seinen Gymnasiasten erprobt hat (vgl. BERNETT 1984, 145), veröffentlichte er 1893 erste Regeln (BROCKHAUS 1984, 152). Das erste Gesamt-Regelwerk des Faustballs erscheint im Jahre 1896 (vgl. LAUTENSCHLAGER 1975, 14). Das Faustballspiel der Anfangszeit kann dabei als gesellschaftliches Turnspiel charakterisiert werden, es ist "mehr lust- als zweckbetont strukturiert" (BERNETT 1984, 147). Die 'Versportlichung' und damit die Orientierung am Sieg setzt aber schnell ein, der Übergang "vom Unterhaltungs- zum Kampfspiel" (KLEIN 1911/12, 472. In: BERNETT 1984, 152) wird vollzogen.

Das Faustballspiel verbreitete sich schnell. Bereits 1896 wird von einem "Siegeszug durch Deutschland" (SCHNELL 1896, 100. In: BERNETT 1984, 148) gesprochen. Für den Rahmen der vorliegenden Arbeit sind die Ursachen für diese rasche Verbreitung von besonderer Bedeutung. Denn laut BERNETT "hat sich das relativ traditionslose deutsche Faustballspiel in [nur, J.K.] zwei bis drei Jahrzehnten das Prestige eines Volks- und Nationalspiels erworben." (BERNETT 1984, 149) Als einen wichtigen Grund für dieses Phänomen führt PREISING (1980. In: BERNETT 1984, 147) an, daß dem Spiel der Jugend durch die Arbeit des 'Zentral-Ausschusses für Volks- und Jugendspiele' (kurz ZA) eine gesellschaftliche Bedeutung verschafft wurde. Dieser ZA wird 1891 im Zuge der Spielbewegung gegründet und im folgenden wird das "Spielgut ... nun propagiert und methodisiert, geordnet und kodifiziert." (BERNETT 1984, 144) "Der ZA löste diese gesellschaftliche Aufgabe durch sein organisatorisches Netzwerk, durch Publikationen und Lehrgänge." (BERNETT 1984, 147)

"Die Entwicklung des Faustballspiels belegt die bemerkenswerte Tatsache, daß die Spielbewegung zunächst die Schule erfaßt und erst in einer zweiten Welle die Vereine erreicht" (BERNETT 1984, 147). GASCH (1903, 52. In: BERNETT 1984, 147) bestätigt diese Ausführung: "Ausgehend von den Schulen hat die Spielbewegung meist durch die Vermittlung von Turnlehrern und ihren Schülern in die Vereine übergegriffen". Faustball ist somit von der Entstehung her ein Schulspiel, welches erst dann den Weg in die Vereine gefunden hat. Irgendwann muß in der Entwicklung des Faustballspiels bzw. des Interesses daran ein Einschnitt stattgefunden haben. Heutzutage wird es fast ausschließlich in Vereinen gespielt. "Nachdem Faustball bis Ende der 60er Jahre ein fester Bestandteil im Schulsport war, wurde dieses Spiel in den folgenden Jahren immer mehr vom Volleyball verdrängt" (DTB 1984, 32).

Die ersten Deutschen Meisterschaften der Männer werden 1913 in Leipzig durchgeführt. Nach einer durch den 1.Weltkrieg bedingten Pause finden diese Meisterschaften erst wieder ab 1921 statt, ab dann aber auch für Frauen (vgl. LAUTENSCHLAGER 1975, 15). Einen vorläufigen Höhepunkt der Entwicklung des Faustballs ist 1938 erreicht. Auf dem in Breslau stattfindenden Deutschen Turn- und Sportfest finden 800 Faustballspiele statt und das Endspiel wird vor 10.000 Zuschauern ausgetragen (vgl. BERNETT 1984, 155).

Der wichtigste Schritt zur Weiterentwicklung und Verbreitung der Sportart wird durch den DTB, der Nachfolge-Organisation der Deutschen Turnerschaft und nach 1950 alleinigem Träger des Faustballspiels, gelegt: Dem Faustballspiel als Sportart wird der internationale Raum geöffnet. Zunächst werden vom DTB zusätzliche Deutsche Meisterschaften in der Schüler- und Jugendklasse durchgeführt, ein Deutschland-Pokal wird ausgeschrieben und letztendlich Europameisterschaften und -pokale (vgl. BERNETT 1984, 156). Die Internationalisierung wird durch den 1960 gegründeten Internationalen Faustball-Verband (kurz IFV) weiter vorangetrieben. Mittlerweile sind im IFV 13 Nationen organisiert (siehe Tab. 1). Neue Mitglieder sind USA und Japan, die 1998 ihren Aufnahmeantrag beim IFV gestellt haben (vgl. IFV 1999, 5).

Seit 1968 werden in periodischem Abstand Weltmeisterschaften der Herren durchgeführt, 1999 fand die insgesamt 10. WM statt. Zusätzlich ist Faustball seit 1985 bei den World Games, den Wettkämpfen für die nicht-olympischen Sportarten, vertreten (vgl. LUX 1999, 378). Auf Vereinsebene findet seit 1986 durch die Ausführung von Weltpokalspielen ein weltweiter Vergleich von Vereinsmannschaften statt (vgl. LUX 1999, 378).

Die Faustball-Damen sind bislang noch nicht bei den World Games vertreten. Die anderen Wettkampfveranstaltungen werden ebenfalls im Frauenbereich durchgeführt: die Weltmeisterschaft seit 1994, die Europameisterschaft und der Europapokal seit 1993, der Weltpokal seit 1997 (vgl. LUX 1999, 377ff). Hier zeigt sich, daß sich der zu Gründungszeiten rein männliche Sport noch auf dem Weg der Gleichberechtigung befindet.

Die internationale Verbreitung steckt trotz intensiver Bemühungen immer noch in den 'Kinderschuhen', betrachtet man die geschätzte Zahl der Faustballspieler in den einzelnen Ländern:

Mitgliedsverband

Spieleranzahl

Argentinien

300

Brasilien

700

Chile

200

Dänemark

50

Deutschland

41.000

Italien

100

Japan

100

Namibia

300

Österreich

8.000

Schweiz

7.000

Tschechische Republik

200

Uruguay

150

USA

300

gesamt:

ca. 58.400

Tab. 1: Geschätzte Anzahl an Faustballspielern in den einzelnen Mitgliedsverbänden
Quelle: vgl. IFV 1999, unveröffentlichtes Zahlenmaterial, BAADE, L.

Deutlich zu erkennen ist die zahlenmäßige Übermacht Deutschlands, des Mutterlandes der Sportart. Mit ca. 41.000 registrierten Spielerpässen stellt Deutschland die größte Anzahl an Faustballern, gefolgt von Österreich und der Schweiz. Trotzdem hat auch Deutschland im Bereich der Mitgliederzahlen Probleme. Die Zahl der Mitglieder stagniert, bzw. ist sogar leicht rücklaufig:

Jahr

Anzahl der registrierten Faustballspieler

1991

44.418

1992

43.109

1993

43.996

1994

45.110

1995

46.121

1996

44.507

1997

41.235

1998

41.326

1999

41.184

2000

40.937

Tab. 2: Anzahl der Aktiven mit Faustball-Spielerpässen in Deutschland
Quelle: DTB 2000: Fachbereich Turnspiele. Spieler und Spielerinnen mit Startpass, JOLIG, E.



Neben dieser Anzahl an offiziell durch Spielerpaß registrierten Faustballern gibt es weitere Faustballer, die den Sport nur als Breitensport ausüben. 1998 betrug die geschätzte Anzahl dieser Breitensportler ohne Pässe 12.500 (vgl. DTB: Gesamt-Struktur Fachbereich Spiele im DTB, Stichtag 1/98).


Fazit:

Das Ende des 19. Jahrhunderts erfundene Faustballspiel hat sich in Deutschland zunächst schnell verbreitet und ist ausgehend von den Schulen in die Sportvereine gelangt. Ende der 60er Jahre ist es aus dem regulären Schulunterricht u.a. von der artverwandten Sportart Volleyball verdrängt worden. Als einer der Gründe wird die fehlende Breite an Literatur genannt. Die Zahl der Sportler hat sich derzeit bei ca. 41.000 registrierten Faustballspielern stabilisiert. Nach rückläufiger Tendenz ist die Zahl seit einigen Jahren gleichbleibend. An einer internationalen Verbreitung mangelt es.