Jens Kolb

Auszug aus der Examensarbeit:
"Faustball - Eine Untersuchung zu Problemen, Problemlösungen und Möglichkeiten einer Weiterentwicklung und Verbreitung"
(Jens Kolb, Oldenburg 2000)

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  4.2.1. Reiz des Faustballspiels - Attraktivität   4.2.5. Die finanzielle Situation des Faustballs  
  4.2.2. Bekanntheitsgrad und Verbreitung des Faustballs in Zusammenhang mit der Medienpräsenz 4.2.

Ergebnisse

(thematisch)

4.2.6. Nachwuchsproblematik des Faustballs in Zusammenhang mit der geänderten Freizeitgestaltung und dem Trainerwesen  
4.2.3. Einflüsse der gesellschaftlichen Entwicklung auf das Ehrenamt und die Organisation des Faustballs in Verein und Verband 4.2.7. Aspekte des Faustball-Lehrwesens
  4.2.4. Organisationsaspekte des Faustballs im DTB   4.2.8. Schulpräsenz des Faustballspiels
    4.2.9. Zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse der Experten-Interviews    

 

4.3. Weiterführende Auswertung - Vorgehensweise für die Verbesserung der Faustball-Situation

 

4.2.6. Nachwuchsproblematik des Faustballs in Zusammenhang mit dem veränderten Freizeitverhalten und dem Trainerwesen

4.2.6.1. Ist-Zustand und Probleme 4.2.6.2. Lösungsansätze
Aus einigen Aussagen (vgl. u.a. Kap. 4.2.2.1.) ist bereits hervorgegangen, daß im Faustball das Problem besteht, Nachwuchs für den Sport zu gewinnen und auch zu halten. Dies ist kein faustballspezifisches, sondern ein allgemeines Problem des Vereinssports und wird von allen Interviewpartnern als ein solches erkannt.

"Wenn man es sportartübergreifend betrachtet, ist die Jugendarbeit doch recht schwierig geworden." (L.B.)

"Die größten Probleme bestehen sicherlich im Nachwuchsbereich. Die Kinder auf den Faustballplatz zu kriegen, da sehe ich das größte Problem." (O.N.)

"Die Gefahr der Abwanderung von Jugendlichen besteht." (H.P.)

"Gerade bei Jugendlichen ist die drop-out-Rate sehr groß, das ist allgemein so und statistisch erwiesen. ... In vielen Vereinen ist es schwierig, konsequente Nachwuchsarbeit zu betreiben."(U.S.)

"Probleme beim Nachwuchs sind auch bei anderen Sportarten vorhanden." (T.B.)

Nach OPASCHOWSKI (1995, 13f) wird es für die Sportvereine in Zukunft alleine schon auf Grund der demographischen Entwicklung "gravierende Nachwuchsprobleme" geben. Die Kinder- und Jugendlichenzahl sinkt.


A.P. vertritt die Ansicht, daß es in ländlichen Gegenden genauso schwer ist, Nachwuchs zu begeistern, wie in der Stadt.

"Eigentlich sind die Probleme überall gleich." (A.P.)

Diese Meinung wird von den anderen Befragten nicht geteilt und kann mit dem Hintergrund zusammenhängen, daß er aus einer ländlichen Faustball-Hochburg stammt und die Probleme der Großstadt so direkt noch nicht erfahren hat. Von anderen Experten wird dagegen ausgesagt, daß in der Stadt der Bekanntheitsgrad einerseits geringer ist,

"Wenn Faustball schon mal bekannter wäre. Man müßte dann nicht mehr so viel Pionierarbeit leisten. Das ist ja erst mal der schwierigste Schritt, dieses erste Interesse zu wecken." (S.B.),

andererseits die Konkurrenz von Freizeitangeboten in der Stadt wesentlich größer ist (vgl. auch Kap. 4.2.1.):

"In der Stadt gibt es ganz klar größere Konkurrenz und es Bedarf sicherlich größerer Anstrengung, neue Faustballer zu gewinnen." (L.B.)

"Besser Fuß fassen kann Faustball sicherlich im ländlichen Bereich, wenn es nicht große, andere Konkurrenzsportarten gibt." (H.P.)

Nach OPASCHOWSKI (1995, 12) haben "kommerzielle Freizeitabieter" in den letzten Jahren vermehrten Zuspruch gefunden.

Wie aus Kap. 4.2.1 bereits hervorgeht, ist gerade die Person des Trainers von entscheidender Bedeutung für die Jugendarbeit. Die Sportart Faustball an sich übt eine ausreichend große Attraktivität aus.

"Wenn Kinder interessiert sind am Ball, dann kann man sie für jede Ballsportart begeistern, nicht nur für die Bekannten." (T.B.)

Die Bereitschaft zur Jugendarbeit in den Vereinen scheint aber eher gering zu sein. Jugendarbeit bedeutet hohe Verantwortung und zeitlichen Aufwand.

"Jugendarbeit bedeutet ein hohes zeitliches Engagement." (U.S.)

"Es gibt zu wenige, die dort in den Vereinen Jugendarbeit betreiben, sich die Zeit an die Hacken binden wollen, sich mit Jugendlichen überhaupt zu beschäftigen." (H.P.)

Trotz der hohen Belastung kann auch im Trainerbereich oftmals nur eine geringe Aufwandsentschädigung gezahlt werden.

"Der Trainerposten bedeutet einen hohen Aufwand und wird in vielen Vereinen nicht so honoriert, wie er es eigentlich verdient hätte. Der Trainer ist verpflichtet, mehr oder weniger der erste zu sein und der letzte beim Training, es nie ausfallen zu lassen; wenn er keine Zeit hat, muß er für Ersatz sorgen; er muß Fahrer bekommen, die Betreuung übernehmen. Selbst im Sportverein Moslesfehn haben wir Probleme gehabt." (H.P.)

Wie bei anderen ehrenamtlichen Tätigkeiten ist auch die geringe Entlohnung des Trainerpostens im Faustball ein großes Problem. Idealismus ist gefordert und große Einsatzbereitschaft. Verläßlichkeit ist dabei gerade im Jugendbereich eine Grundvoraussetzung.

"Das Problem ist, Mitarbeiter zu kriegen, sprich Trainer. Sobald sich jemand regelmäßig hinstellt, kriegt er Jugend- und Schülermannschaften zusammen. Er muß aber absolut verläßlich da sein. Kids brauchen Bezugspersonen, die Sportart ist völlig egal." (U.M.)

Diese geringe Bereitschaft zur Jugendarbeit in den Vereinen hat starke negative Auswirkungen: Die Qualität des Trainings scheint oftmals auf einem niedrigen Niveau zu sein. Eine Qualifikation der Trainer durch einen Trainerschein wird in der Vereinsarbeit nicht vorausgesetzt. Exemplarisch wird U.M. zitiert (weitere Zitate erfolgen zum gesonderten Themenbereich Lehrwesen in Kap. 4.2.6).

In vielen Vereinen ist man froh, wenn sich jemand bereit erklärt, Jugendarbeit zu leisten. Egal, ob er einen Schein hat. Insgesamt gibt es zu wenig ausgebildete Trainer. Oft ist das Faustball-Training auf einem Niveau, das nicht gerade motivierend ist. Dabei ist es aber auch nicht garantiert, daß ein ausgebildeter Trainer für ein ganz tolles Training sorgt." (U.M.)

Eine Auswirkung der Nachwuchsproblematik ist deutlich im Bundesligabereich zu sehen. Es besteht das Problem, daß die Mannschaften oft nicht genügend Unterbau, d.h. qualifizierten Nachwuchs, aufweisen, so daß der Weggang einzelner Spieler nur schwer verkraftet werden kann. Teilweise ist dies ein Grund für den Rückzug von Bundesligamannschaften aus dem aktuellen Spielbetrieb.

"[Teilweise haben diese Bundesligisten, J.K.] ... im Vorfeld vergessen, sich genug Jugendliche nachzuziehen, die nachrücken könnten." (A.P.)

"Uns fehlte in Köln [1.Bundesliga Frauen, J.K.] der Nachwuchs." (S.B.)

Es wird angesprochen, daß sich gerade im Bereich der Nachwuchsarbeit der beim Ehrenamt bereits erwähnte gesellschaftliche Wandel auswirkt. Das Freizeitverhalten der Familien und Kinder hat sich tendenziell verändert, wie die Experten in der Praxis beobachten. Es wird ein stärkeres Konsumverhalten beklagt, Trendsportarten mit ungebundener Zeit sind sehr gefragt. Gewisse Auswirkungen auf die Arbeit in den Sportvereinen sind zu spüren.

"Teilweise geht der Trend dahin, in der Freizeit Angebote zu nutzen, die nicht zeitgebunden sind, sondern: Man kann hingehen, wann man will. Bei den Sportvereinen ist es aber nicht so, da hat man seine festen Trainingszeiten. Auch Familien selber wollen sich am Wochenende nicht mehr binden lassen. Diesen Trend merke ich als Abteilungsleiter und Jugendtrainer immer mehr. Da höre ich Antworten wie: Ich laß mir von einem Sportverein doch nicht die Zeiten vorgeben, wann ich mit meinem Kind einkaufen gehe. Diese Aussagen kommen aber auch nur von einem geringen Anteil." (H.P.)

"Es ist nicht einfacher geworden. Das Freizeitangebot ist gewachsen. Familien wollen eher gemeinsame Wochenenden verbringen, unternehmen mehr als früher. Ein großer Teil der Jugend ist aber trotzdem noch in den Vereinen. Es ist eine Frage des Engagements."(T.B.)

"Wir leben heute leider in einer Konsumgesellschaft, in der die Kinder wenig bereit sind, zu geben. Die nehmen viel lieber. Und die Eltern genauso. Man muß versuchen, mit dem geringen finanziellen Aufwand das beste daraus zu machen." (O.N.)

Was in diesem Rahmen nicht angesprochen wurde, aber sicherlich auch negative Auswirkungen auf die Nachwuchsarbeit hat, ist die scheinbar gewachsene Unlust der Kinder und Jugendlichen, sich regelmäßig sportlich zu betätigen. Heutzutage rücken andere Freizeitbeschäftigen wie z.B. Computer und Fernsehen stark in den Vordergrund des Alltags der Jugendlichen. Bewegungsarmut ist die Folge.

Fazit: Im Faustball besteht, wie in vielen anderen Sportarten, das große Problem, die Nachwuchsarbeit zu sichern. Gründe können sowohl bei den Kindern als auch bei den Trainern gesehen werden. Ein Grund liegt in der geringen Bereitschaft, ein Traineramt zu übernehmen. Die geringe Qualifikation der Trainer wirkt sich zusätzlich negativ aus. Durch den gesellschaftlichen Wandel hin zur verstärkten Konsumhaltung wird es schwieriger, die Jugendlichen beim Faustball zu halten. Zusätzlich steigt heutzutage die Möglichkeit, andere Freizeitangebote zu nutzen.

Die Nachwuchsproblematik kann vehemente Auswirkungen auf den Fortbestand der Mitgliederzahlen und auf den Leistungsbereich des Faustballs zur Folge haben.

 

Die Nachwuchsproblematik ist bereits erkannt worden. Erste Schritte sind in der Praxis umgesetzt worden.

Um der Drop Out-Rate zu begegnen, wurden in den Landesturnverbänden weitere Jugendklassen eingeführt.

"Die Gefahr der Abwanderung von Jugendlichen besteht besonders im Kernalter von 15 bis 17 Jahren. Wir haben es geschafft, durch die Einführung der B-Jugend, einige mehr zu halten. Früher war es so, daß die Jugendspieler direkt von der C-Jugend in die A-Jugend kamen und dann erst einmal viel verloren. Da war schnell die Lust weg, besonders wenn dann andere Interessen hinzukommen wie Disco, usw.." (H.P.)

Weiterhin ist in der OFS verankert, daß Bundesligamannschaften eine Verpflichtung zur Jugendarbeit haben.

"Wenn man es sportartübergreifend betrachtet, ist die Jugendarbeit doch recht schwierig geworden. Wir haben die Erfahrung gemacht, durch den Beschluß zur Verpflichtung von Jugendarbeit für Bundesligamannschaften, daß die Jugendarbeit zumindest nicht abbricht. Der Beschluß hat es wenigstens erreicht, daß wir auf einem Level geblieben sind." (L.B.)

Dieser Ansatz hat sich förderlich auf die Sicherung der Nachwuchsarbeit ausgewirkt, so daß auch einige Landesturnverbände diese Regelung übernommen haben:

"Wir haben in unserer höchsten Spielklasse im NTB ebenfalls die Verpflichtung zur Jugendarbeit festgeschrieben." (A.P.)

Als Konsequenz aus der gesellschaftlichen Entwicklung betonen alle Experten, daß verstärkt auf die Interessen der Jugendlichen eingegangen werden muß. Der Trainer muß Bezugsperson für die Jugendlichen sein, zusätzlich zum Training sollten andere Aktivitäten nicht fehlen. Auf Grund des hohen Stellenwertes dieser Aussagen werden ausführlichere Zitate angeführt.

"Es reicht heutzutage nicht mehr aus, nur Training zu gestalten, einmal die Woche für eineinhalb Stunden und dann mal alle drei bis vier Wochen ein Punktspiel zu bestreiten. Es gibt sehr viele Vereine, die sich sehr stark engagieren, die Turniere besuchen, die Feriencamps machen, eine Art Trainingslager in Spielform machen, mit Wanderungen und Grillfesten. Man muß da schon wesentlich mehr organisieren als das, was auf dem Platz dann stattfindet, um die Kinder bei Laune zu halten." (O.N.)

"Im städtischen Bereich ist es Voraussetzung, wenn ich eine Jugendmannschaft aufbauen oder halten will, dann muß ich für die Jugendlichen als Ansprechpartner rund um die Uhr gelten und muß mit denen auch was unternehmen. Ich darf es nicht darauf beschränken, einmal in der Woche das Training zu machen und dann vielleicht dreimal zu den Spielen zu fahren. ich muß Zeltfahrten machen, zu Turnieren fahren, usw.." (L.B.)

"Weitere Aktionen müssen unternommen werden, wie z.B. Zeltlager, Wochenendfahrten auch auf Inseln, Besuche des Deutschen Turnfestes. Das sind Sachen, die den Jugendlichen auch in Erinnerung bleiben. Nicht nur rein durch Faustballsport, auch das Drumherum muß gemacht werden." (H.P.)

"Es reicht nicht aus, die Bezirks- oder Landesmeisterschaft zu spielen. Ich muß denen neben dem Faustballsport hinaus mehr bieten, um die bei der Stange zu halten. Es ist Engagement und Phantasie gefordert. Dazu braucht man interessierte Trainer, die wissen, was Jugendliche interessiert und die sich darauf einlassen können." (U.S.)

In diesen Äußerungen spiegeln sich die Aussagen vom Kap. 4.2.1. wider. Aktivitäten neben dem eigentlichen Training und das Trainerengagement sind wesentlich für die Attraktivität der Sportart Faustball.

Die Qualifikation der Trainer ist eine weitere wesentliche Forderung.

"Es besteht dringender Handlungsbedarf, daß die besten Trainer im Jugendbereich arbeiten sollten, um da die Grundlagen zu legen." (U.S.)

Auf diesen Aspekt wurde ebenfalls bereits in Kap. 4.2.1. hingewiesen. Die Trainerausbildung wird unter dem Kapitel Lehrwesen (Kap. 4.2.7.) ausführlich thematisiert.

Darüber hinausgehend wird teilweise eine Aufwandsentschädigung für die Trainer gefordert:

"Z.B. in Vereinen aktiv werden: Unser Trainer braucht eine Entschädigung." (U.M.)

Dieser Ansatz ist sicherlich sinnvoll, aber stark mit der finanziellen Situation der jeweiligen Vereine verknüpft. In vielen Vereinen erhalten die Trainer zumindest eine geringe Aufwandsentschädigung. Von einer Bezahlung kann in diesem geringen Rahmen aber durchgängig nicht gesprochen werden. Dafür fehlen die finanziellen Möglichkeiten.

Von allen Experten wird zudem die Wichtigkeit der Schulpräsenz des Faustballs betont. Auf diesen Aspekt wird deshalb gesondert eingegangen (vgl. Kap. 4.2.8.).

Fazit: Jugendarbeit ist für den Fortbestand und die Verbreitung des Faustballs von höchster Bedeutung. Ein wichtiger Ansatz ist die interessante Gestaltung des Trainings. Die Aktivitäten sollten sich aber auch über das Training und den normalen Spielbetrieb ausweiten, Turnierbesuche sind in diesem Rahmen von entscheidender Bedeutung.. Der Trainer sollte als Bezugsperson für die Jugendlichen in Erscheinung treten. Daneben muß die Bedeutung des Schulsports für die Interessenweckung bei Jugendlichen hervorgehoben